Mietrecht

Schriftformmangel nicht heilbar

Mietverträge, die länger als ein Jahr laufen sollen, bedürfen nach § 550 BGB der Schriftform. Die Nichtbeachtung des Schriftformerfordernisses kann fatalte Folgen nach sich ziehen, wie die jüngste BGH-Entscheidung zeigt

Der Bundesgerichtshof hatte bereits in seiner Entscheidung vom 27.09.2017 – XII ZR 114/16 – entschieden, dass sogenannte Schriftformheilungsklauseln unwirksam sind, da § 550 BGB kein dispositives Recht ist. Solche Schriftformheilungsklauseln sind deshalb mit der gesetzlichen Regelung, dass Mietverträge, die für eine längere Zeit als 1 Jahr geschlossen sind, als für unbestimmte Zeit abgeschlossen gelten, sofern sie nicht in schriftlicher Form geschlossen wurden, nicht in Einklang zu bringen. Die Kündigung ist frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung der Räume zulässig. Diese Vorschrift gilt gleichermaßen für Wohnräume wie für Gewerberäume.

In einer neuerlichen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11.04.2018 – XII ZR 43/17 – ging es nun um einen Gewerberaummietvertrag, der schriftlich abgeschlossen war, aber eine Klausel enthielt, wonach jede Partei eine Neufestsetzung der Grundmiete verlangen konnte, wenn sich der Verbraucherpreisindex für Deutschland, Basisjahr 2000 = 100, um einen be­stimmten Prozentsatz verändert hatte. Außerdem enthielt der Vertrag eine Heilungsklausel dahingehend, dass bei Nichtbeachtung des § 550 BGB keine Partei das vorzeitige Kündigungs­recht geltend machen konnte, beide Parteien sich vielmehr verpflichteten, das Notwendige zu veranlassen, um die erforderliche Schriftform herbeizuführen. Das sollte auch für Ergänzungen und Nachträge gelten.

Der Vermieter teilte nunmehr dem Mieter nach einiger Zeit mit, dass sich der Verbraucher­preisindex in dem vereinbarten Umfange verändert hatte und bat um eine Anpassung der monat­lichen Grundmiete. Der Mieter hat hierauf ab dem erbetenen Zeitpunkt die höhere Miete gezahlt.

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung konsequent fortgeführt und noch einmal deren Grundsätze festgehalten:

1.

Die Schriftform des § 550 BGB setzt voraus, dass sich die für den Vertragsabschluss erforder­liche Einigung über alle wesentlichen Vertragsinhalte, namentlich Mietgegenstand, Miete, Dauer des Vertragsverhältnisses, Parteien, aus einer Urkunde ergeben, die entweder von beiden unter­zeichnet ist oder aus gleichlautenden von jeweils einer Partei unterzeichneten Urkunden. Ledig­lich das, was von nebensächlicher Bedeutung ist, bedarf nicht dieser Form. Für Vertrags­änderungen gilt nichts anderes. Auch sie müssen dem Erfordernis des § 550 BGB genügen, sofern es sich nicht um irgendwelche Nebensächlichkeiten handelt.

2.

Die Miete stellt einen wesentlichen und damit dem Formzwang des § 550 BGB unterfallenden Vertragsinhalt dar. Das gilt jedenfalls, sofern sie für mehr als 1 Jahr gelten soll und nicht jederzeit vom Vermieter widerrufen werden kann. Auch die vertragliche Änderung der Miete unterliegt diesem Formzwang.

3.

Der Formzwang des § 550 BGB greift nicht ein, wenn der Vertrag einer Partei die Möglichkeit einräumt, durch einseitige Willenserklärung eine Änderung des Vertragsinhaltes herbeizuführen. Hier ist etwa an die Fälle zu denken, in denen dem Mieter ein Optionsrecht auf Verlängerung des Vertrages eingeräumt wird oder dem Vermieter das Recht der einseitigen Anpassung von Nebenkostenvorauszahlungen. Auch Änderungen der Miete, die auf Index­klauseln zurück­zu­führen sind, die eine automatische Mietanpassung beinhalten, unterliegen nicht dem Schrift­formerfordernis.

4.

In dem hier entschiedenen Fall sah die in dem Mietvertrag formulierte Indexklausel jedoch keine automatische Mietanpassung vor. Sie setzte ein Mieterhöhungsverlangen des Vermieters voraus, das der Annahme durch den Mieter bedurfte. Die Annahmeerklärung des Mieters erfolgte jedoch konkludent, indem er einfach den erhöhten Mietzins zahlte. Damit fehlte es an dem Erfordernis einer von den Parteien unterzeichneten Urkunde oder gleichlautenden von jeweils einer Partei unterzeichneten Urkunden.

Die Entscheidung zeigt, dass das Ausschöpfen des zulässigen Gestaltungsrahmens bei der Ab­fassung von Mietverträgen das Risiko, während der Laufzeit des Vertrages in die „Schrift­formfalle zu laufen“ reduziert.

5.

Der Bundesgerichtshof betont in seiner Entscheidung, dass das Berufen auf den Verstoß der Schriftform nicht treuwidrig ist. Insbesondere könne eine solche Treuwidrigkeit nicht aus der Schriftformheilungsklausel und Kündigungsausschlussklausel des Vertrages abgeleitet werden. Dabei betont der BGH, dass § 550 BGB nicht nur dem Schutz eines potenziellen Erwerbers dient, sondern den Vertragsparteien die Beweisbarkeit langfristiger Abreden gewährleisten soll, zudem die Parteien vor „der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen“ schützen soll.

6.

Schließlich betont der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung, dass wegen unterschiedlicher Rechtsfolgen eine fristlose Kündigung nicht in jedem Falle in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden darf, wenn die fristlose Kündigung unwirksam ist. Vielmehr sei es für eine Umdeutung erforderlich, dass der Wille des Kündigenden, das Vertragsverhältnis in jedem Falle zu beenden, und zwar zum nächstmöglichen Termin, für den Empfänger der Kündigungs­erklärung erkennbar sein muss. Dies legt es nahe, im Falle einer fristlosen Kündigung stets hilfsweise das Mietverhältnis auch ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen.

 

 

 

 

 



Stand: 14.05.2018


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